Eine Frage der Haltung

Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Bistum Aachen

Öffentlicher Aufruf (c) Bistum Aachen
Datum:
Do. 19. Okt. 2023
Von:
Ulrich Clancett

Öffentlicher Aufruf


Pfarrer Hugo Werr


Das Bistum Aachen bittet, dass sich Betroffene sexualisierter Gewalt melden in Zusammenhang mit einem verstorbenen Priester. Betroffene, Zeitzeugen und alle, die zur Aufklärung beitragen können, können sich an die Hotline des Bistums Aachen wenden. Die entsprechende Telefonnummer und Angaben zur Erreichbarkeit finden Sie am Ende des Aufrufs.
Pfarrer Hugo Werr – mutmaßlicher Täter
Gegen den im Jahr 2002 verstorbenen Pfarrer Hugo Werr liegt dem Bistum Aachen eine Beschuldigung sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige/Schutzbefohlene vor. Sie bezieht sich auf das Ende der 1960er-Jahre, als Werr Kaplan an St. Jakob der Ältere, Jüchen, war.


Die biografischen Daten im Überblick
23.12.1930
geboren in Süßenburg/Ostpreußen
1962
zur Aushilfe St. Josef, Grefrath-Vinkrath
1962
Kaplan St. Thekla, Herzogenrath-Streiffeld
1967
Kaplan St. Jakob der Ältere, Jüchen
1970
Kaplan St. Mariä Empfängnis, Mönchengladbach-Lürrip
1973
Pfarrer St. Thekla, Herzogenrath-Streiffeld Pfarrer St. Thekla, Her-zogenrath-Streiffeld
1989 
Pfarrer Herz-Jesu, Stolberg-Münsterbusch
15.07.2002
verstorben


Sollten Sie in diesem oder einem anderen Fall betroffen sein oder Angaben dazu machen können, nehmen Sie gerne Kontakt mit der Hotline des Bistums auf:
Hotline des Bistums Aachen 0241 452-225
oder nutzen das Online-Formular unter www.missbrauch-melden.de
Die Hotline ist montags, dienstags, mittwochs und freitags von 9:00 bis 16:00 Uhr erreichbar. Donnerstags von 16:00 bis 20:00 Uhr.
Ihre Angaben werden vertraulich behandelt und es stehen Ihnen geschulte Kontaktpersonen zur Seite.


Hinweis:
Dieser Aufruf enthält die dem Bistum Aachen Stand 30. September 2023 zur Person be-kanntgewordenen Beschuldigungen.
Diese basieren entweder auf den rechtskräftigen Feststellungen eines weltlichen oder kirchli-chen Gerichts; dann wird die Bezeichnung „Täter“ verwandt.
Sofern gegen die Person mindestens ein positiv beschiedener Antrag auf Anerkennung des Leids wegen des Zufügens sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige oder Schutzbefohlene als plausibel bewertet wurde, wird der Beschuldigte als „mutmaßlicher Täter“ bezeichnet. Grund dafür ist, dass derartige Beschuldigungen nicht mit der erforderlichen Gewissheit fest-stehen, um den Beschuldigten als „Täter“ bezeichnen zu können.

 

Zum Stand des Aufarbeitungsprozesses im Bistum Aachen

 

Das Bistum Aachen setzt die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt durch Priester und andere kirchliche Beschäftigte konsequent fort und veröffentlicht jetzt die Namen von 53 Tätern und mutmaßlichen Tätern sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige und Schutzbefohlene. „Wir möchten Betroffenen Mut machen, sich mitzuteilen“, so Bischof Dr. Helmut Dieser am Mittwoch in Aachen. „Mit der Nennung der Namen gehen wir dabei weiter voran. Wir stehen auf der Seite der Betroffenen und stellen uns den Verbrechen, die von Priestern und anderen in der Kirche Beschäftigten in der Vergangenheit begangen worden sind.“ 

Die Entscheidung, nunmehr Namen von Tätern und mutmaßlichen Tätern zu veröffentlichen, ist ein weiterer Schritt im Zuge einer zielgerichteten und konsequenten Aufarbeitung. Dieser Entscheidung waren sorgfältige Beratungen und Abwägungen mit Unterstützung interdisziplinärer Fachexperten, dem Ständigen Beraterstab, der Unabhängigen Aufarbeitungskommission und dem Betroffenenrat vorausgegangen. Im Ergebnis liegen klare und transparente Kriterien vor. 

Veröffentlicht werden Namen von Personen, auf die folgende Kriterien zutreffen:

Entweder liegt eine einschlägige staatliche oder kirchenrechtliche Verurteilung vor (dann wird die Person als „Täter“ bezeichnet), oder es gibt mindestens einen positiv beschiedenen Antrag auf Anerkennung des Leids von der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) auf Bundesebene (dann wird die Person als „mutmaßlicher Täter“ bezeichnet). Der im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung erfolgte Bescheid stellt für das Bistum Aachen einen hinreichenden Tatverdacht für die Annahme dar, dass es sich um einen mutmaßlichen Täter handelt. Voraussetzung für eine namentliche Nennung ist aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes überdies, dass die Person vor mehr als zehn Jahren verstorben ist. 

Diese Kriterien treffen auf insgesamt 53 Personen zu – 52 Priester und einen Laien. Die Veröffentlichung erfolgt mit einer zeitlichen Einordnung der vorliegenden Beschuldigungen, bekannten Strafurteilen und einer tabellarischen Auflistung des beruflichen Werdegangs der jeweiligen Personen. Diese bewusst reduzierte Darstellung der Sachverhalte dient vor allem dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen und ihrem Recht auf Anonymität sowie der Wahrung der ihnen zugesicherten Vertraulichkeit. Auch eine Re-Traumatisierung von Betroffenen, insbesondere von solchen, die sich bislang nicht offenbart haben, soll durch die knappe Form der Darstellung vermieden werden.

„Wir handeln transparent, konsequent und umfassend. Kein Täter soll unentdeckt bleiben“, unterstreicht Generalvikar Dr. Andreas Frick. „Unsere Kriterien greifen das Aufklärungs- und Informationsinteresse der Betroffenen auf und halten zugleich einer juristischen Überprüfung stand“, erklärt der Generalvikar weiter. Kirchengemeinden, in denen Täter oder mutmaßliche Täter eingesetzt waren, besitzen nun die Möglichkeit, sich mit diesem Teil ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. „Betroffene und Gemeinden haben einen berechtigten Anspruch auf Aufklärung und Information“, so Andreas Frick. 

Hotline unter 0241 452-225 und www.missbrauch-melden.de

Die Kirchengemeinden, in denen die Beschuldigten zum Tatzeitpunkt eingesetzt waren, sind bereits informiert. Das Bistum Aachen unterstützt die Aufarbeitung vor Ort.

Betroffene, Angehörige und Zeugen können sich vertrauensvoll an die Hotline im Bistum Aachen (0241 452-225) wenden, um Missbrauch zu melden oder Hinweise zu geben. Qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nehmen die Meldung entgegen, besprechen das weitere Vorgehen und informieren über Beratungsstellen und Hilfsangebote. 

Eine Meldung kann auch online unter www.missbrauch-melden.de erfolgen. Alle Meldewege erfüllen die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen und werden vertraulich behandelt, können bei Bedarf auch anonym in Anspruch genommen werden. 

Daten und Fakten zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Bistum Aachen

Mit der Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens durch die Münchener Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl im November 2020 hatte das Bistum Aachen eine wichtige Zwischenetappe erreicht, um die systemischen Ursachen für Missbrauch im Bistum offenzulegen. Seitdem werden die sich daraus ergebenden Aufgabenstellungen konsequent erarbeitet und umgesetzt. Eine Neuausrichtung der Priesterausbildung, ein konsequenter Einsatz bestehender Schutzkonzepte in allen Pfarreien und Einrichtungen sowie die weitere Professionalisierung von Intervention und Prävention sind nur einige Maßnahmen, mit denen das Bistum einer Systemik begegnet, die durch Klerikalismus und Co-Klerikalismus befördert worden war. 

Per Ende September 2023 sind dem Bistum Aachen 267 Betroffene namentlich bekannt. 140 Betroffene haben einen Antrag auf Anerkennung des Leids gestellt. 131 Anträge sind davon durch die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen positiv beschieden worden. Die anderen werden noch bearbeitet. Im dritten Quartal sind vier neue Anträge gestellt worden. Rund 70 Prozent der Betroffenen sind männlich, 30 Prozent weiblich. 

Seit Gründung des Bistums Aachen im Jahr 1930 sind 126 Täter und Beschuldigte bekannt. Darunter befinden sich 115 Kleriker (Pfarrer, Kapläne, Patres, Diakone) und Ordensschwestern. Elf Täter und Beschuldigte sind Nicht-Kleriker wie Erzieher, Hausmeister, Religionslehrer oder ehrenamtlich Tätige. 

Das Bistum Aachen hat per Ende Juni dieses Jahres 2,355 Mio. Euro an Anerkennungsleistungen gezahlt, die von der Unabhängigen Kommission zur Anerkennung des Leids beschieden wurden. Eine Höchstgrenze für Anerkennungsleistungen gibt es nicht.

Alle Informationen zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt und Nennung von Tätern und mutmaßlichen Tätern gibt es unter https://www.bistum-aachen.de/Aufarbeitung.