Das Vater unser

6.4 Vater unser...dein Wille geschehe

Datum:
Sa. 1. Jan. 2022
Von:
Christoph Berthold

Ist das nicht eine Zumutung? Da soll mich der Glaube zum freien Menschen machen. Und dann sowas – ich soll darum beten, dass nicht mein, sondern Gottes Wille geschehe. Ich quasi die Regie über mein Leben freiwillig abgebe an einen Anderen. Gut, bei Priestern oder Ordensmenschen kann man das ja noch irgendwie nachvollziehen…

 

In Todesanzeigen steht manchmal „es hat dem Herrn gefallen, NN. zu sich heim zu rufen“ – ganz schön starker Tobak – ist denn Gott nicht zu aller erst ein großer Freund des Lebens? Und soll mich der Glaube nicht frei, stark, mutig, kraftvoll, positiv leben lassen – statt unfrei machen und leiden lassen unter der Fuchtel eines höheren Wesens namens Gott? Wer meint, „blinder Kadavergehorsam“ sei das, worum man hier bittet, ist im Irrtum. Es geht Gott nicht darum, meinen Willen zu brechen. Es geht um Stärkung und Trost. Dass Gott schon weiß, was für mich letzten Endes gut ist. Es geht auch nicht um Aufgabe meines Willens zugunsten des Gotteswillens. Sondern um eine vertrauende Entschiedenheit. Gott möchte, dass ich mit Selbstvertrauen/Ichstärke danach suche, was mein Leben wirklich trägt. Da kommt Vertrauen/Glauben ins Spiel. Vielleicht ist ja das, was ich so stark will nicht das, was mir auch wirklich gut tut.

„Dein Wille geschehe“ ist eine Einladung Jesu, meinen Egoismus zurückzustellen. Danach zu suchen, was Gott für mein Leben möchte – ein „Leben in Fülle“, wie es Theologen ausdrücken.

Mich erinnert dies an die Schule. Ich konnte manchmal überhaupt nicht einsehen, warum ich Latein lernen sollte. Besonders, als es mal ziemlich schwierig wurde. Und doch hat es sich gefügt, dass ich im späteren Theologiestudium ganz froh war, das Latein kein „böhmisches Dorf“ für mich war. Ich hätte nicht gedacht. dass ich jemals Latein „brauchen könnte“.

Ja, vielleicht ist es ganz gut, dass „der Mensch denkt und Gott lenkt!“

Vom Willen Gottes nimmt man meist an, dass der in Opposition zum eigenen steht. Weiß man doch selber meist gut, wohin die Lebensreise gehen soll. Und dann durchkreuzt das Auf und Ab des Lebens die eigenen Pläne: Tod, Arbeitslosigkeit, Krankheit, Scheidung…alles Lebenssituationen, die passieren. Gottgewollt oder blindes Schicksal? Kann man auch anders sehen: was wäre denn, wenn mein Lebensplan, meine Selbstverwirklichung gar nicht in Konfrontation zum „Willen Gottes“ stünde? Wenn Gott mich in Allem ganz einfach begleitet als der „Ich-bin-da“? So wie im bekannten Text „Spuren im Sand“.

Als ob Gott da ist in den Irrungen und Wirrungen meines Lebens…

"Und gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene!" (Römerbrief 12,2, aus Bibel - Einheitsübersetzung 2016)

Kannst du im Auf und Ab Deines Lebens einen göttlichen Plan sehen?

Gebet:

Vater unser… dein Wille geschehe