Credo

2.12 - Jesus, wird kommen

Viel zu... (c) Pfarrbrief Bistum Limburg, Oktober 2020, St. Anna
Datum:
Fr. 1. März 2024
Von:
Christoph Berthold

Damit enden die Aussagen über Jesus im Credo. Sie beschäftigen sich mit ungewissen Fragen: Was ist mit Jesus nach seinem Erdenleben? Wo ist er? Was macht er? Sehen wir ihn noch mal wieder - und wann?

Erinnern Sie sich an „Sofa-Gate“? An diesen Skandal, als die - Ursula von der Leyen und Charles Michel im Auftrag der EU in Ankara den türkischen Präsidenten Erdogan besuchten? Erdogan setzte Michel zu seiner Rechten und von der Leyen weitab aufs Sofa. Deutlicher kann man nicht machen, wer in seinen Augen wichtig ist.

Was das mit dem Credo zu tun hat? Schon an orientalischen Königshöfen war der Platz zur Rechten des Königs dem Kronprinzen vorbehalten, oder dem obersten Minister. In Psalm 110, einem Königslied, heißt es: „Setze dich zu meiner Rechten und ich lege deine Feinde als Schemel unter deine Füße.“

Wenn deshalb im Neuen Testament (Apostelgeschichte 5,31; Römer 8,34; Kolosser 3,1) dieses „zur Rechten des Vaters“ auf Jesus angewendet wird, dann geht es nicht um ein Sitzmöbel. Vielmehr geht es um seine Stellung, seine Bedeutung: Jesus Christus ist eingesetzt zum König der neuen Gottesherrschaft; er hat unmittelbar Anteil an der Macht „Gottes“.

„Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Mt 28,18–20) Das bedeutet zweierlei: Erstens ist Jesus nicht entrückt, sondern bei uns. Und zweitens hängt seine Macht unmittelbar mit dem Auftrag an uns zusammen, den Glauben zu verkünden. Wir sind seine Macht auf Erden!

Die Gläubigen in neutestamentlicher Zeit haben fest daran geglaubt, dass Jesus nur kurz fort ist. Dass er schon bald wiederkommt, um sein Reich zu errichten - aber das machte ihnen keine Angst. „Wenn dies beginnt, dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe.“ (Lukas 21,28)

Bekanntlich ist das Weltenende nicht eingetreten. Schon bei Paulus ist deshalb eine Akzentverschiebung zu erkennen. Ihm geht es um das Ziel: „Dann werden wir für immer beim Herrn sein.“ (1 Thessalonicher 4,17) Das kann durch einen apokalyptischen Weltuntergang geschehen oder den eigenen Tod. „Für mich ist Christus das Leben und Sterben Gewinn“, sagt Paulus. (Philipper 1,21) Das Ende der Weltzeit und der persönlichen Lebenszeit rücken nah aneinander. Heute wird der Weltuntergang eher als Menschheitsuntergang durch einen Atomkrieg vermutet, durch die Klimakatastrophe oder als Lebensuntergang durch das Ausglühen der Sonne in einigen Milliarden Jahren. Dennoch: Bedeutet „von dort wird er kommen zu richten“ mehr als unsere persönliche Christusbegegnung im Tod? Wird es eine Vollendung der Welt, der gesamten Schöpfung geben?

In der alttestamentlichen Prophetie wird das Ende der Welt mit dem Weltgericht verbunden. Die neutestamentliche Naherwartung nimmt das auf: Am Ende steht das Gericht über alle, die leben und alle, die gestorben sind. Für die frühen ChristInnen manifestierte sich Ihre Sehnsucht nach der Wiederkunft im Ruf „Maranatha – Komm Herr Jesus (Offenbarung 22.20). Im Mittelalter dagegen zitterten die Christen vor dem „Dies irae“, dem Tag des Zorns. Das prägt bis heute das Bild vieler. Die heutige Theologie beschreibt das Gericht als Hoffnungsperspektive. Das Gericht ist Hoffnung, weil es um Gerechtigkeit geht. Vor Gott sind alle gleich, die Herren bleiben nicht Herren und Knechte nicht Knechte. Alle stehen gleich vor Gott.

Das Gericht macht auch deshalb Hoffnung, weil es Ansporn ist, im Hier und Jetzt die Welt ein bisschen besser zu machen, statt mit dem Bösen zu paktieren. Damit sind nicht einzelne Werke gemeint, als ob im Gericht eine „Have-done-Liste“ abgearbeitet würde. Es wird um meine Grundhaltung, mein Innerstes gehen. Im Gericht wird sichtbar, wie ich wirklich bin – mit meinen schlechten und guten Seiten. Und schließlich macht das Gericht Hoffnung, weil wir wissen, auf wen wir treffen: Jesus Christus. Er hat uns vorgelebt, was für ihn zählt: Liebe und Güte, Einsatz für die Schwachen, Barmherzigkeit. Das Gericht ist kein Verhängnis - wir kennen den Maßstab: Jesus, der „aufrichtet die Lebenden und die Toten“.

Oder wie es die Karikatur anfragt: kann es ein „viel zu spät“ für mich geben?