Das Fronleichnamfest
Normalerweise gehört zum Fronleichnamsfest eine Prozession durch`s Dorf mit Liedern, Gebeten, Blumen und Menschen. Falls dann noch das Wetter mitspielt und man anschließend Trocken und Nass genießen kann, ist es ein rundum gelungener Festtag.
Das fällt so in Coronazeiten leider flach.
Katholische Christen verbinden mit diesem Fest noch mehr: Etwas Kostbares wird durch die Straßen getragen – Jesus im Zeichen des heiligen Brotes. Wenn mit Monstranz und Hostie durch die Straßen gezogen wird, zeigt das: dies gehört zum Glauben, ist wichtig und kostbar. Katholiken glauben an die „Realpräsenz“ d.h. in Brot und Wein ist Jesus Christus nach der Wandlung wirklich real da.
Und er nahm einen Kelch, sprach das Dankgebet und sagte: Nehmt diesen und teilt ihn untereinander! Denn ich sage euch: Von nun an werde ich nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken, bis das Reich Gottes kommt. Und er nahm Brot, sprach das Dankgebet, brach es und reichte es ihnen mit den Worten: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis! (EÜ/2016-Lukas 22,17-19)
Realpräsenz - wie kann ich mir das vorstellen / glauben?
„Das ist mein Leib!“ – Wirklich? Diesen Satz spricht der Priester bei der Wandlung in der Messe. Hand aufs Herz – kannst du daran glauben? Wäre es nicht viel logischer und einfacher zu sagen: Man muss das symbolisch verstehen? Man soll sich dadurch an Jesus Christus erinnern? So ähnlich (in unterschiedlichen Abstufungen) verstehen dies ja die evangelischen MitchristInnen.
Das katholische Verständnis ist da radikaler. Wirklich Leib und Blut Christi – nicht „nur“ symbolisch. Starker Tobak für den Verstand, oder nicht? Wie soll das denn sowas überhaupt möglich sein? Kaum zu glauben… wie geht das zusammen – Glaube und Verstand? Wo doch selbst rund zwei Drittel der katholischen ChristInnen die Realpräsenz nicht unterschreiben würden?
Ja – das ist zweifelsfrei ein großes Geheimnis. Doch ohne Wenn und Aber ist das zu glauben, sagt die katholische Kirche. Die Kirche lehrt: der Glaube an die REALPRÄSENZ - also das leibhaftige, gegenwärtige Dasein Jesu Christi in der Eucharistie unter den Gestalten von Brot und Wein - ist verbindliche Glaubenswahrheit. Die in der Wandlung konsekrierten Gaben sind nicht nur symbolhafte Erinnerungszeichen.
Jesus sagt "Nehmt, das i s t mein Leib und Blut" und nicht „das bedeutet meinen Leib und mein Blut. Das Prädikat "ist" (griechisch "estin") soll eine reale Übereinstimmung zwischen Jesus und den eucharistischen Gaben anzeigen. Wortklauberei – Übersetzungsfehler – Fälschung? Hätte sich die frühchristliche Kirche wirklich so entwickeln, so glauben und leben können (bis in den Märtyrertod) aufgrund einer fundamentalen Unwahrheit? Kann ein - durchaus anfordernder - Blick in die Theologiegeschichte hilfreich sein?
Für die Kirchenväter sind – in platonischer Denkweise - Brot und Wein Abbilder des Urbildes Jesus Christus, der (in abgeschwächter Weise) in den konsekrierten Zeichen selbst anwesend ist. Augustinus interpretiert das Eucharistie-Sakrament als Zeichen, Gestalt, Ähnlichkeit der Wirklichkeit Christi.
Weiter treibt es die mittelalterliche Scholastik. Thomas von Aquin denkt - mit Rückgriff auf die aristotelische Unterscheidung zwischen Substanz und Akzidenz - einen Mittelweg: die Transsubstantiationslehre. In diesem Denkmodell ist Christus zwar wirklich in der Eucharistie anwesend – aber nicht so, dass er `mit Zähnen zerkaut` wird.
Im 10. Jahrhundert ist die Frage nach der echten oder symbolischen Anwesenheit Christi in der Eucharistie besonders umstritten: Die Realisten beharren auf einer Totalidentität zwischen historischem und eucharistischem Christus. Für die Symbolisten existieren zeichenhafte Interpretationen, (Eucharistie nur ein Erinnerungsritual) bei dem der historische Christus nicht wirklich da ist.
Das kirchliche Lehramt verteidigt hingegen die Realpräsenz Christi. Anders als heute wurde Substanz damals als eine nicht sinnhaft wahrnehmbare Dimension der Wirklichkeit verstanden, während die Akzidenzien die sinnlich wahrnehmbare Gestalt bezeichnen, z.B. Geschmack oder Geruch. Folgerung: Aus den Substanzen von Brot und Wein werden die Substanzen des Fleisches und Blutes Jesu. Die reale Gegenwart Christi zeigt sich nach Thomas in der Form des Zeichens.
So wird einerseits das Anliegen der Realisten (Jesus eucharistisch wahrhaft gegenwärtig) bewahrt – andererseits können sich die Symbolisten anschließen, die eine "kannibalistische" Interpretation verneinen. Realpräsenz sei nicht empirisch wahrnehmbar, sondern allein im Glauben möglich. Dieser Glaube stützt sich auf die Worte Jesu, die der Priester bei der Wandlung spricht. Nur in der Eucharistie (Wandlung) spräche der Priester "in persona Christi".
Luther hielt später an der Realpräsenz Christi in Brot und Wein fest – allerdings in Form der Konsubstantiation. Für die Dauer der Abendmahlsfeier träte zur Substanz von Brot und Wein die Substanz von Leib und Blut Jesu Christi hinzu. Nach der Messfeier ende die Realpräsenz. Zwingli lehnte die Lehre der Realpräsenz ab. Brot und Wein sind für ihn nur noch symbolische Zeichen für die Gegenwart Christi - quasi eine davon getrennte Wirklichkeit, genau wie ein Verkehrszeichen etwas anderes andeutet und nicht selber ist. Calvin bestreitet grundsätzlich die Gegenwart Christi in Brot und Wein. Es geschähe nur eine Mitteilung der Gnade des Herrn beim Abendmahl.
Im 20. Jahrhundert hat man neue Formen entwickelt, die Realpräsenz in der Eucharistie zu deuten. Jesus Christus sei gegenwärtig und nicht Produkt der Erinnerung der Gläubigen. In der Gemeinschaft werde durch Genuss von Brot/Wein die Lebenshaltung Christi für das eigene Leben übernommen. Die Eucharistie wird so verstanden als Wandlung des eigenen Lebens.
Fazit aus katholischer Sicht:
Das 2. Vatikanische Konzil hat die frühere Betonung der Messfeier als Opfer weiterentwickelt hin zu einem Gemeinschaftsmahl des Volkes Gottes. Viele Katholiken verstehen in der Folge die Messfeier in erster Linie als gemeinschaftliches Ritual. Sie ist aber wesentlich die Begegnung mit der verborgenen Gegenwart Jesu Christi im heiligen Brot (und Wein). Der Glaube an die Realpräsenz Christi ist Grundvoraussetzung für den Empfang der Kommunion und hat primär mit dem Mysterium der Gegenwart Christi zu tun.
Einmal abgesehen von „theologischen Spitzfindigkeiten“ – einfach gesagt geht es bei der Eucharistie um d a s große Geheimnis. Ich werde vermutlich mit meinem Verstand niemals dahinter kommen. Mit meinem Herzen kann ich im heiligen Brot jedoch mehr spüren. Wie es so schön heißt: Der Mensch sieht nur mit dem Herzen gut. Ich erinnere mich an meine eigene Erstkommunion. Der Priester hielt die große Hostie hoch über dem Kelch und sprach:
„Seht mit euren Augen ein Stück Brot - seht mit den Augen des Herzens…es ist Jesus, der zu uns kommt!“
Ehrlich gesagt brauche ich nicht mehr zu wissen. Dieser einfache Satz macht mir das eucharistische Geheimnis wesentlich besser deutlich, als alle Theologie. Am Ende zählt der Glaube.